Post von Raquel

In unserem Artikel zur Wochenaufgabe in New York hatten wir euch Raquel vorgestellt, die allein mit einem Schild in der Hand vor Penn Station stand und dagegen demonstrierte, dass die Polizei nachts regelmäßig Obdachlose aus der warmen Wartehalle hinaus in die Kälte schickt. Natürlich haben wir danach auch ihr eine Mail geschrieben, mit dem Link zum Artikel. Ihre Antwort ist genauso einprägsam wie das Gespräch mit ihr am Samstag.

(Originalversion weiter unten)


Hallo Anna, Andi und Janos,


es ist wundervoll, von euch zu hören. Das ist absolut großartig, und vielen Dank, dass ihr den Artikel auf eurem Blog veröffentlicht habt. Ich habe seitdem herausgefunden, glaubt es oder nicht, dass Tim gar nicht gestorben ist. Dafür bin ich sehr dankbar. (Bitte veröffentlicht diese Korrektur – es gibt keinen Grund für mich, etwas anderes als die Wahrheit zu vertreten, denn die Wahrheit ist schon schlimm genug). Das ändert nicht daran, dass die Obdachlosen von der Polizei in den kältensten Nächten hinaus in die Kälte geschickt werden, egal ob sie sich selbst schützen können oder nicht. Dieses Vorgehen ist falsch, gefühllos und unmenschlich. Ich wurde von McGee Hickey von Channel 11 WPIX News interviewt, und auch sie sah hier eine Geschichte, an der sie gern dran bleiben würde.


Mein Mann und ich haben ein obdachloses Paar bei uns aufgenommen, um sie in Sicherheit zu bringen, aber auch um ihnen wieder auf die Füße zu helfen. Sie brauchten einen Platz, an dem sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen können. Davor sind sie immer von einer Unterkunft zur nächsten gewandert, für etwa zwei Jahre, wenn nicht mehr. Das jetzige System hat sie im Stich gelassen. Ich habe kein Interesse daran Schuldzuweisungen zu machen, aber ich habe ein Interesse daran Lösungen zu finden und etwas zu verändern. Wir sind gerade erst am Anfang des Weges mit ihnen, und ihre Gesundheit und ihr Lebensgefühl haben sich bereits verbessert. Das Ziel ist es, dass sie wieder ein eigenes Heim finden und ein erfülltes Leben führen können, und ich weiß, dass sie dieses Ziel mit Gottes Hilfe erreichen werden.


Ich glaube fest daran, dass es viel bewirken würde, wenn mehr Menschen ihren Nachbarn durch eine schwere Zeit helfen würden, oder diejenigen, die die Mittel dazu haben, anderen persönlich und menschlich aus der Obdachlosigkeit heraushelfen würden. Dadurch würde auch mehr Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass die Leiden der Obdachlosen nicht die Leiden einiger weniger Unglücklicher sind, sondern das Resultat einer unausgewogenen Gesellschaft, die wir verbessern könnten, wenn wir es nur wöllten.


Ich bin sehr glücklich darüber, dass ihr alle in mein Leben getreten seid und meine Geschichte weiterverbreitet habt, und ich werde weiter mit euch in Kontakt bleiben, während ich meine Arbeit fortführe. Ich würde sehr gerne ein „Obdachlosen-Tagebuch“ schreiben, mit Geschichten aus dem Leben der Menschen, die ich treffe. Ich denke, wenn die Leute besser verstehen würden, das dies auch nur Menschen sind, die Prüfungen und Schwierigkeiten erlebt haben, die wir selbst vielleicht nicht überlebt hätten, dann würde das wirklich etwas bewirken. Es wäre großartig, wenn ihr diese Tagebücher auf eurem Blog veröffentlichen könntet, als Fortsetzung dieser Geschichte. Ich denke, das würde helfen.


Auch diesen Brief dürft ihr gerne veröffentlichen.


Alles Gute,

Raquel


Hello Anna, Andi and Janos


It is lovely to hear from you. This is absolutely amazing, and thank you for posting it onto your blog. I have since found out, believe it or not, that Tim did not die, for which I am very grateful. (Please post these corrections - because there is no need for me to misrepresent the truth, the truth is bad enough) This does not change the fact that the homeless are forced out into the cold on the coldest nights from Port Authority, by the Port Authority Police, whether they can fend for themselves or not. This policy is wrong, unfeeling and inhumane. I was interviewed by McGee Hickey of Channel 11 WPIX News, and she felt that there was a story that she would like to pursue.


My husband and I taken a homeless couple into our home, to keep them safe, but also help them get back on their feet. They needed a place where they could start to put their lives back together again. They had been in and out of shelters, for approximately 2 years, if not more. The system in place had failed them. I am not interested in placing blame, but I am interesting in looking for solutions and creating change. We are at the beginning of the journey with them, and already there is an improvement in their health and happiness. The goal is for them to move on to a place of their own and to live a purposeful life, and I know with God's help they will reach that goal.


It is my belief that if more people helped a neighbor to bridge them through a crisis, or if those that have the means helped someone personally, as a human being, to come out of homelessness, this would have a great impact. It would also have the impact to bring an awareness that the ills of the homeless are not the ills of an unfortunate few, but the result of an imbalanced society, that we can correct by our will to do it.


I am very blessed to have you all come into my life to share my story, and I will continue to be in contact with you as I continue the work.  I am very much interested in writing a "Homeless Diary," with stories of the lives of the people that I meet. I think if people had a better understanding that these are humans that have gone through trials and tribulations, that we ourselves may not have survived, this will make difference. It would be great if you could post the diaries onto your blog as a continuation of the story. I think that would help.


Feel free to post my letter to you.


Many blessings,

Raquel

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Brigitte (Samstag, 28 Februar 2015 09:28)

    Ihr wolltet "nur" ein Video machen und habt ein Stück Leben kennengelernt, das ihr - wie wohl die meisten eurer Leser - bisher nur von ferne gesehen habt. Und ihr seid dieser Frau begegnet, die ich nur aus tiefstem Herzen bewundern kann. Ich freue mich, dass ich sie durch euch ein wenig kennenlernen durfte, danke!
    Kann man ihre Arbeit (finanziell) ein wenig unterstützen (d.h. habt ihr eine Adresse)?
    Weiter gute Reise!
    Brigitte